Archive for the Maßgeschneidert Category
Hamburg ist immer eine Reise wert. Doch nicht nur Reeperbahn, Landungsbrücken und Michel sollten auf dem Programm stehen. Unser Tipp: Schaut mal im HOT DOGS vorbei! Inmitten des alternativen Karoviertels unweit des Millerntor-Stadions könnt ihr wahren Vintage-Duft schnuppern. Adidas Deadstock mit Sneakern, Trainingsanzügen und sonstigen Gadgeds der vergangenen Jahrzehnte. Schätze wie der Nebraska, Rom, Sprint und sonstige Klassiker stehen hier neben original DDR-Trikots, Trainingsanzügen der Olympiateams von Los Angeles, München und Seoul sowie original „Tip und Tap“-Shirts, aufblasbaren Trimmy-Figuren oder Ivan Lendl-Taschen. Alles Original und die Jungs kennen scheinbar zu jedem Teil im Laden die passende Geschichte. Wir freuen uns, dass wir euch nun die ein oder andere Anekdote des Ladens aus erster Hand liefern können. Noah, Besitzer und Gründer des einzigartigen Shops plaudert locker flockig aus dem Nähkästchen.
Betritt man euren Laden, so geht jedem Vintage- und Deadstock-Freund sogleich das Herz auf. Wo verdammt noch mal, bekommt ihr diese ganzen alten Schätze her?
Wenn es um die gebrauchten Artikel geht, gibt es mehrere Möglichkeiten: Klassisch vom Flohmarkt, Ankauf von Privat im Laden und von Second-Hand Sortierern/Großhändlern. Bei den Deadstock Sachen läuft es eher so, dass ich von Besuchern meines Geschäfts Hinweise auf alteingesessene Läden in kleineren Ortschaften erhalte. Heißt der alte Eigner /die alte Eignerin, führt das Geschäft der Familie fort oder hat den Laden vor 40 bis 60 Jahren selbst gegründet und hat noch Zeug von damals im Laden oder im Lager rumfliegen. Und dann versuche ich mit den Herrschaften in Kontakt zu treten.
Bei unserem Besuch bei euch ist sofort aufgefallen, dass ihr euch wirklich Zeit für jeden Gast nehmt, locker flockig euer Konzept erklärt und scheinbar zu jedem Stück im Laden die passende Story parat habt. Du hast deine Leidenschaft zum Beruf gemacht oder? Schildere doch hier auch nochmal bitte euer Leitmotiv.
Ich habe schon als Teenie keinen Bock auf 08/15 Ware aus dem Kaufhaus gehabt und habe mich auf´m Flohmarkt oder in der Kleiderkammer vom Roten Kreuz eingekleidet. Und nach meinem Zivildienst, den ich Flensburg gemacht habe, bin ich mit ´nem Kumpel meiner damaligen Freundin nach Roskilde/Dänemark auf ein Festival gefahren. Dort haben wir ´nen Flensburger Klamottenladenbesitzer getroffen, der dort allerdings US-Secondhandware verkaufen wollte. Doch da er zu spät dort war, bekam er keinen Standplatz. Wir haben dann mit ihm und seinem Großhändler/Importeur gequatscht und haben dann drei Festivals über den Sommer bedient. Das war so geil, dass wir es dann ab Dezember´96 einen Laden im Hamburger Karolinenviertel eröffnet haben.
Ich glaube an die Qualität der damals hergestellten Waren und ich möchte dem Kunden ein Bewusstsein verschaffen, in dieser schnelllebigen Zeit. Und wie ihr schon sagt, für mich ist der Kontakt mit dem Kunden sehr wichtig. HOT DOGS ist ein Spezialitäten-Geschäft, da bedarf es Beratung und die ist nun mal auf Hintergrundwissen basierend.
Euer Sortiment reicht von Trainingsanzügen und Schuhen der 80er Jahre bis hin zu Klamotten, die tatsächlich noch ein paar Jahrzehnte mehr auf dem Buckel haben. Was sind eure ältesten Teile? Welche ganz besonderen Stücke gingen schon über die Ladentheke?
Momentan sind die ältesten Teile schwedische Fellmützen aus den 20er Jahren, militärische Hemden aus Schweden, die um 1940 produziert wurden. Adidas Fußballschuhe aus den frühen 50ern mit genagelten Lederstollen habe ich schon mal – allerdings zu günstig – verkauft. Ich habe auch mal ´nen Schwung „The Jacksons“ Torjacken von 1984 gefunden und alle verkauft.
Kommt es auch schon mal vor, dass dir einige Klamotten so sehr ans Herz gewachsen sind, dass du sie dann noch nicht mehr zum Verkauf anbietest, sondern lieber selber trägst oder sie als dauerhafte Dekoration fest im Laden installierst?
Sachen von denen ich mich ungern trenne solche mit dem Kontext Hund/HOT DOGS. Ich entziehe dem Laden eher Klamotten die ´nen Mangel, also ´nen Fleck oder ein Loch haben. So manche historisch relevante Sache mag ich auch nicht verkaufen, wie zum Beispiel ein Hostessen-Kostüm der Olympischen Spiele 1976 in Montreal.
Ihr seid quasi offizieller Zirkeltraining-Dealer. Erzähl uns ein wenig über das Zeugs und wie kam es zu dieser Kooperation?
Zirkeltraining ist eine kleine Firma, die aus dem Designer Bernd Dörr und dem Medienkommunikator Markus Kreykenbohm besteht. Im Zuge der ersten Katalogproduktion ist mir Markus, der damals in Hamburg gearbeitet hat, in den Laden gelaufen, um authentische Sportklamotten aus den 70er und 80er Jahren für´s Fotoshooting, zu leihen. Im Gegenzug wurde ich dann gefragt, ob ich Exklusiv-Händler für Hamburg sein mag. Da ich auf das Konzept stehe, zumal der Handel des Vollsortiments unerwünscht ist. In den heutigen Zeiten, wo fast alles inflationär im Netz zu erwerben ist, ist es für einen kleinen Einzelhändler, wie ich es bin, ein Glücksfall.
Plaudern wir noch etwas über euren Kundenstamm. Ihr seid ja einerseits ein Mekka für jeden Deadstock-Sammler, aber auch der ein oder andere Promi hat schon den Weg zu euch gefunden oder?
Mir ist jeder recht, der Bock hat sich auf meinen „Wahnsinn“ einzulassen, soll heissen ich wünsche mir, dass die Leute einfach in Ruhe stöbern und dann ist es mir egal ob´s Lieschen Müller oder Robin Roedler ist. Oder wollt ihr, dass ich ein paar Namen droppe? Lenny Kravitz, Melissa Etheridge, Bobbie Gillespie von Primal Scream, Jarvis Cocker von Pulp und natürlich unzählige deutsche Musiker, Schauspieler und Sportler.
Zum guten Schluss kommen wir nicht drumherum, dich auch noch auf die für euch derzeit sicherlich nicht gerade angenehmen Dinge zu sprechen zu kommen. Habt ihr nicht noch ne Kiste „Kaiser 5″-Botten auf Lager, mit denen die HSV-Jungs vielleicht mal wieder nen gepflegten Ball spielen können oder wie kann es aus deiner Sicht mit diesem Verein wieder aufwärts gehen?
Hahaha. Leider habe ich keine Kiste Kaiser 5 im Keller liegen. Allerdings wage ich zu bezweifeln, dass das alleine ausreichen würde. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen ein wenig mehr Konstanz an den Tag legen, als in den Jahren zuvor. Vom Spielermaterial her hätten wir in den letzten Jahren nicht soweit unten stehen dürfen, aber irgendetwas lief gehörig falsch. Es war ja quasi kein spielerisches Element zu sehen. Da ich nicht nah genug dran bin, liegt es an den handelnden Personen zu eruieren was falsch lief und ich habe Hoffnung, dass es diese Saison besser wird.
Falls ihr mal in Hamburg seid, können wir euch einen Abstecher in diesen Laden wärmstens empfehlen. Finden könnt ihr Hots Dogs hier:

Wir freuen uns sehr, dass für den zweiten Teil unserer neuen Interviewreihe “Maßgeschneidert” niemand geringerer als DER „Sneakerking“ schlechthin Rede und Antwort steht. „Pomo“ berichtet über die Anfänge seiner Leidenschaft, wie er es schaffte Modelle anzubieten, die man sonst in Deutschland nirgendwo ergattern konnte, den Causalstyle der 80er in FFM und vieles mehr.
Pomo, nicht jeder hat das Glück, seine Passion zum Beruf zu machen und mit einer seiner Leidenschaften Geld zu verdienen. Bei dir kann man getrost von diesem Glück sprechen oder?
Ich würde es eher als das Glück des Tüchtigen bezeichnen. Wir Frankfurter waren schon immer gute Geschäftsmänner und hatten einen Hang dazu, mit Klamotten Geld zu verdienen.
Du bist Pionier auf diesem Gebiet, wie hat seinerzeit alles angefangen?
Schon in den 80er Jahren bin ich nach Paris geflogen – meine Mutter arbeitete damals bei Air Canada und der Flug kostete mich somit gerade einmal 80,- Mark – und habe auf Flohmärkten gebrauchte Levis 501 gekauft. Die haben ich damals für um die 20,- DM erstanden und in FFM für ca 100,- DM verkauft.. Auch habe ich in die Musterkollektion von Chevignon investier, teilweise nicht produzierte Einzelteile. Ich habe schon immer darauf geachtet, wer was beim Fußball oder hier in der Stadt anhatte – mit Schuhen war es genauso. Ich hatte schon immer viele Modelle und irgendwann Mitte der 90er begann ich große Bestände aus Sportgeschäften aufzukaufen, darunter viele 70er und 80er Jahre Modelle. Hauptsächlich Adidas und Puma, davon gab es halt mehr. Ich fing an die Schuhe aus meinen Kofferraum zu verkaufen und die Nachfrage wurde immer größer. Dann mietete ich mir eine große Garage an, dort bunkerte ich ca. 1000 Paar. Ich fing an mit den ersten Kontakten in London, die kauften mir die Schuhe weg wie warme Semmeln, dann kamen die Japaner die zahlten teilweise 400,- DM für alte Schuhe. Um der Nachfrage gerecht zu werden, suchte ich nach weiteren alten Sportgeschäften, was aber immer schwieriger wurde. Durch viele Berichte über mich in diversen Magazinen wurden natürlich auch Nachahmer darauf aufmerksam. Dann hatte ich um 1996-98 meinen ersten kleinen Laden mit jemanden zusammen. Wir verkauften Chevignon-Jacken und ich darüberhinaus alte Schuhe. Dann ab 2000 gründete ich den „Sneakerking“. Ab da nahm alles seinen Lauf…
Das hört sich in der Tat äußerst geschäftstüchtig an. Nicht verwunderlich also, dass es in Zeiten, als man noch nicht per Mausklick aus den Sortimenten von hunderten Onlineshops nach seinen Favoriten suchen konnte, hieß „Beim Sneakerking bekommste Schuhe, an die du sonst schwer dran kommst.“
Dafür bin ich auch viel gereist: London, Paris, New York, Mailand. Damals hatten die Firmen noch keine gemeinsame Linien, wie es heute der Fall ist. Da hat das stöbern noch Spaß gemacht, heute ist es langweilig. 90% alles das Gleiche in Europa, keiner hebt sich mehr ab.
Schon damals war die Mode auch ein Bestandteil der Fußballkultur. Bist auch die in den 80ern und 90ern mit Chevignon-Wildlederjacke im Stadion aufgelaufen oder ging es dir vornehmlich um das passende Schuhwerk?
Meine erste Chevignon-Jacke hatte ich 1984. Dann natürlich viel Best Company, Jet Set, Iceberg. Durch das Lesen der Männerausgabe der „Vogue“ wurde ich schon 1986/87 auf Stone Island aufmerksam. Und so kaufte ich mir für damals 800,- DM meinen ersten Stone Island Parka. Beim ersten Mal wo ich bewusst darüber nachgedacht habe, welche Schuhe ich tragen soll, fiel die Entscheidung auf den „Nike Blazer 1982″, dazu Jogginghose und Bomberjacke. Davor trug ich eigentlich immer Adidas und ab 1984 ging die Tendenz zu Nike Joggingschuhen. Ab 1987 kam dann auch New Balance hinzu. Adidas Torsions habe ich nie getragen, nur den „Stan Smith“.
Wir wollen mit unserer Interviewserie den Leuten auch einen Einblick in die Besonderheiten der einzelnen Szenen geben. Wie hat sich das modische Auftreten der Frankfurter damals wie heute vom Rest des Landes abgehoben bzw. gab es Alleinstellungsmerkmale?
Ich würde schon sagen, dass wir sehr modebewusst waren. Typisch für Frankfurt waren eigentlich „Red Wings“-Schuhe. Die tragen wir teilweise schon seit 1986. Ansonsten auch seit 1984 Chevignon. Wer in Deutschland damit anfing ist schwer zu sagen. Optisch fand ich neben uns die Kölner damals cool.
Wie hat sich das Ganze dann entwickelt und welchen Stellenwert hat die Casual-Subkultur heutzutage in der Frankfurter Szene?
Ich glaube mittlerweile doch eher sehr bescheiden.. Es gibt eine kleine Casualszene beim Fußball, ansonsten aber sieht man hier viele Jugendliche mit Jogginghose und „Nike Free“ in der Stadt rumlaufen.
Zweifelsohne hast du als bekannte Persönlichkeit und Trendsetter das Modeverhalten deiner Szene unterbewusst beeinflusst – Oder geht dir diese Aussage zu weit?
Am Anfang war ich mit Sneakerking noch einigen anderen Marken und Läden voraus. Ich wollte auch keinen Trend damit setzen, sondern nur mein Ding durchziehen. Ich hätte 2000 auch nie gedacht, was daraus einmal wird und was für ein Markt daraus entstanden ist – unglaublich! Erstaunlich ist auch, wieviele Blogs es mittlerweile gibt, die nur über Mode und Sneaker berichten. Ich selber lese keine mehr, da mir das einfach zuviel geworden ist.
Zu Beginn deiner Sneaker-Leidenschaft war die erste große Zeit der New Balance Modelle, heute erlebt die Marke eine wahre Renaissance, auch in deinem Angebot.
Für mich immer noch eine zeitlose Marke. Eine Zeit lang gab es ja nur den 574, mittlerweile ist eine riesige Bandbreite an verschiedenen Modellen dazugekommen. Diese werden halt auch von allen getragen, nicht so wie damals nur von Hools..
Ähnliches gilt für die Torsion-Serie, die ebenfalls in den 80ern und 90ern groß auftrumpfte und nun schon seit einiger Zeit wieder überall zugegen ist. Im Gegensatz zu NB findet sich aber scheinbar kein ZXer in deinem Sortiment wieder. Wie kommt’s?
Ich muss gestehen, dass mir von Adidas nur der Stan Smith gefällt, der aber gerade so ausgelutscht wird, dass er für mich untragbar geworden ist. Schuhe wie der „Flux“ gehen gar nicht, ist wie der „Nike Free“. Das ist aber eine rein persönliche Abneigung. Torsions kann ich auch nicht mehr sehen.
Adidas scheint generell bestenfalls eine untergeordnete Rolle bei dir zu spielen? War dies schon immer so oder ist dies aktuellen Entwicklungen geschuldet?
Ich persönlich kann mit den ganzen neu aufgelegten Adidas 70er Jahre-Modellen gar nichts anfangen. Für mich gilt: Entweder als Original oder gar nicht.
Die obligatorische Frage nach deinen Lieblingsschuhen darf natürlich nicht fehlen.
Meine Alltime Classics sind „Adidas Stan Smith“, „Nike Wimledon“ und „Prada Americas Cup“.
Wie „intensiv“ verfolgst du heute noch deine zweite Leidenschaft, die Eintracht?
Sehr eingeschränkt, da ich meistens Samstag selber arbeiten muss und ich jetzt noch mit 48 Vater eines Sohnes geworden bin. Aber mit dem Herzen immer dabei.
Danke für das interessante Interview und vor allem herzlichen Glückwunsch zu den Vaterfreuden!

Mit unserer neuen Interviewreihe „Maßgeschneidert“ wollen wir euch einen Einblick in den Stellenwert der Casual-Subkultur der Kurven, Städten und auch Ländern geben – und das stets aus erster Hand und im immer interessanten Austausch mit bekannten Leuten aus den jeweiligen Szenen. Den Anfang machen wir heute mit jemandem, der sich wie kein anderer Nicht-Italiener mit der dortigen Ultrà-Kultur, aber auch „la dolce vita“ südlich der Alpen auskennt.
Kai Tippmann ist absoluter Experte der Lebensweise in Bella Italia und schreibt darüber in seinem Blog altravita.com Er hat in den letzten Jahren diverse Bücher aus dem Italienischen übersetzt wie “Tifare Contro”, “Cani Sciolti – Streunende Köter” und “Il Teppista – der Rowdy”. Kai ist zudem aus der Italien-Folge der ZDF-Reportage „Verrückt nach Fußball“ bekannt. Er lebt seit 1999 in der Region Piemont und ist Anhänger vom AC Mailand. Im Laufe der Zeit hat der gebürtige Berliner Freundschaften in vielen italienischen Kurven geschlossen, sich Akzeptanz erarbeitet und konnte somit tiefe Einblicke in die italienische Fankultur gewinnen.
Der Italiener als solches hatte ja immer schon den Ruf, besonders großen Wert auf ein modisch schickes Auftreten zu legen. War dies in den Fankurven auch von je her ein Thema oder prägte in den vergangenen Jahrzehnten noch vornehmlich der klischeehafte „Italo-Ultra-Look“ mit Bomberjacke und Seidenschal das Bild?
Italienische Kurven waren noch nie so „northfaceisiert“, wie manche deutsche Szenen, d.h. durch einen bestimmten Style oder eine bestimmte Marke charakterisiert. Klar gab es Gruppen, die sich durch beispielsweise Bomberjacken hervortaten, „Eskimos“ oder Insignien anderer Subkulturen, aber das sind eher Phänomene der Vergangenheit. Grundsätzlich gilt aber, dass der Italiener schon sehr großen Wert auf sein Aussehen legt, Ultras sind da keine Ausnahme. Und so findet man in vielen Kurven natürlich Fred Perry, 300 Euro-Sonnenbrillen, die allfälligen Sneaker oder deutliche Anlehnungen an den britischen Casual-Style. Trainingshosen oder Bauchtaschen sind weniger verbreitet, aber man zieht sich gern gut an und der Auftritt darf auch etwas kosten. Ich weiß von einer befreundeten deutschen Szene, die einen Auftritt der Milanisti in der Heimatstadt mit einem bewundernden „Mensch, gegen die sehen wir richtig Asi aus“ kommentierten.
Heutzutage scheint die italienische Szene ganz weit vorne zu sein in Sachen Casual-Subkultur. Wann begann dieser Trend und welche Szenen waren hier Vorreiter?
Es gab in Italien nie eine Trennung von Ultrà und Hooligan, d.h. es gab immer nur Ultrà und keine Hooligans, so dass die sportlicheren Vertreter der aktiven Fans britische Stilelemente übernahmen. So etwas gab es schon immer in den allermeisten Szenen. Vorreiter war hier sicherlich Hellas Verona, die sich von Anfang an nach England orientierten und schon in den 70ern Mode, Gesänge und Freizeitgestaltung von den Chelsea Headhunters nach Italien importierten und bis heute einen sehr englischen Stil pflegen. Aber ich glaube, einen Mr. Enrich findet man in jeder italienischen Kurve.
Die italienischen Gruppen wirken auf Außenstehende zu einem großen Teil eben auch politisch engagiert. Spielt in eher politisch-neutralen Szenen die Casual-Kultur eine größere Rolle, als sie es beispielsweise in extrem linken oder auch rechten Gruppen tut? Gibt es Städte und Gruppen, in denen der Casual-Stil bis heute wenig oder keine Rolle spielt?
Die Kurven sind seit jeher regional sehr verschieden. Zusätzlich zum oben gesagten könnte ich hier aber nur meine Ahnung einfügen, dass die wenigen explizit links orientierten Gruppen in der Mehrheit etwas anders aussehen. Trotzdem denke ich, dass man im schicken Polo, guten Sportschuhe oder Burberry-Karo in jeder italienischen Kurve eine gute Figur macht.
Italien ist die Nation der Modedesigner. Obwohl es innerhalb des Landes einen großen Fundus an hochwertigen Labeln gibt, eifern auch dort die Jungs augenscheinlich dem britischen Stil nach. Verschmelzt ganz Europa zu einem Mode-Einheitsbrei oder ist man auf dem Stiefel immer noch besonders stolz auf die eigene Mode?
Ich persönlich finde den Jogginghose/Bauchtasche/Northface-Einheitsbrei verschiedener deutscher Gruppen langweiliger (auch wenn ich natürlich den praktischen Aspekt nicht verleugnen kann). Ansonsten findet in Italien neben Fred Perry und Burberry natürlich auch sehr viel Gucci oder Dolce Gabbana statt. Ich sehe hier keine Gefahr einer modischen Monokultur. Und ich wiederhole mich da gern: Italiener, so auch Kurvenfans, legen hohen Wert auf ihr Äußeres und sie können das auch besser als eine Nation, die im Ausland eher dafür bekannt ist, Socken in die Sandalen zu ziehen.
Die italienische Szene hat mit diversen Problemen zu kämpfen. Repressionen, „Tessera del Tifoso“, Rassismusvorwürfe, halbleere Stadien. Geht es nur in Sachen Casual-Kultur aufwärts oder tut sich auch sonst wieder Positives in den Kurven?
Hier und da kann man tatsächlich manchmal den Eindruck haben, es geht punktuell aufwärts. Mancherorts ist die lokale Polizei etwas weniger restriktiv eingestellt, andernorts spielt vielleicht die Mannschaft gerade eine herausragende Saison. Ich halte es aber für zu früh um einschätzen zu können, ob das nicht nur eine dead cat bouncing ist.