Football Casuals

Pikobello Casuals im Gespräch mit Sapeur OSB

DER deutschsprachige Blog schlechthin für alles rund um die Casual Subkultur hat uns zum locker flockigen Plausch geladen. So findet ihr nun bei den Frankfurter Jungs von SAPEUR OSB ein ausgiebiges Interview mit uns, in dem wir so einiges über unseren historischen Background und Ideale preisgeben.

Gude Pikobello Casuals! Tach die Herren! Wer seid ihr? Was macht ihr? Ihr seid ja in Deutschland keine Unbekannten und zumindest einer von euch beiden hatte eine sehr exponierte Rolle in der Fanszene eures Vereines inne. Wie seid ihr denn damals zum Fußball gekommen und was hatte euch hieran so fasziniert , dass ihr euch unbedingt einen „GS Eintrag“ im Klassenbuch abholen wolltet? ;o))

Wer ein wenig unsere Vita kennt, die ja untrennbar mit der Entwicklung der lokalen Fanszene im Speziellen und der Ultrakultur in Deutschland im Allgemeinen verknüpft ist, kann sich denken, dass alleine die Beantwortung dieser Frage hier sicherlich den Rahmen sprengen würde. Einer von uns beiden hatte sich tatsächlich recht konkret mit dem Gedanken befasst, hierrüber mal ein Buch zu schreiben. Letztendlich war die Lust dann aber doch größer, lieber ein eigenes Label an den Start zu bringen. Vielleicht wird ja trotzdem irgendwann einmal das Werk „Prima Generazione Ultra“ den Weg in die Bücherregale finden. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass wir immer drauf und dran sind, irgendwas Produktives und Kreatives (er-)schaffen zu wollen. Sich zurückzulehnen, konsumieren und andere machen lassen, war nie so unser Ding. Genau dies ist Sinnbild und Treiber für Pikobello, aber eben vor allem auch für all jenes, was in den letzten Jahrzehnten in unserem Fandasein alles so passiert ist.

Zweitligaspiele mit Papa auf den Holzbänken im alten Haberland zu schauen, war zwar seinerzeit spannend, ungleich faszinierender war aber das, was sich dann in den 80ern in den Fankurven in Italien und dem damaligen Jugoslawien abspielte. Die Gründung unseres Clubs 1989 kann man dann sicherlich als Grundsteinlegung für die Ultrakultur in Lev und den Versuch jenen Stil auch diesseits der Alpen auf den Weg zu bringen, ansehen. Selbstverständlich waren wir Ende der Achtziger als pubertierende Teenager sicherlich keine Ultras, auch wenn es sich seinerzeit manchmal so anfühlte.

So erntete man in dieser Hochzeit der Kutten- und Hooligan-Kultur nicht nur durchweg fragende Blicke. Den Oldschoolern mit der Meinung, dass sich „dieses Ultra eh nicht durchsetzen wird“ erging es dann ja ähnlich wie den Internet-Zweiflern ein paar Jahre später. Jedenfalls mussten wir uns seinerzeit nicht nur als neuer Fanclub in der Szene etablieren, sondern eine völlig neue Art der Fankultur durchboxen und das oftmals im wahrsten Sinne des Wortes. Die Widrigkeiten eine komplett neue Art des Fandaseins etablieren zu wollen, waren gerade in jener Zeit, als der Fußball und das Drumherum ansich noch wesentlich rauer und verruchter waren, tatsächlich nicht gerade ein Zuckerschlecken.

Männer, ihr seid ja genauso wie wir mittleren Alters. Wie wichtig war für euch die Mode oder ein gepflegtes Äußeres am Spieltag? Schließlich gab es ja bei euch die berühmte „Replay Tours“ Zaunfahne und demzufolge einen gewissen Dresscode rund um das Bayerkreuz.

Ein gepflegtes Äußeres und eben jene Replay-Geschichte stehen nach heutigen Standards eher konträr zueinander. Aber das würde man ja von einer damals ebenfalls etablierten Kombi von einem Jogginganzug aus Ballonseide mit einer Tausend Mark-Chevi Jacke drüber oder einer Jeans-Latzhose plus viel zu großem Blue System-Sweater sicherlich ebenso sagen können. Und ob die Best Company-Sweater mit Waschbär oder Pinguinen wirklich modisch adrett waren?! Neuerlich startet BC ja noch einmal ähnliches. Wir können uns jedenfalls nicht davon freisprechen, all den Kram seinerzeit bereits ausgiebig mitgemacht zu haben.

Grundsätzlich waren wir hier in unserem Kaff nicht nur in Sachen Ultrakultur früh dran, auch was die Modeschiene angeht, hat sich hier bereits vor längerer Zeit etwas entwickelt, auch wenn das Beispiel der Replay-Tours aus heutiger Sicht in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz so passend erscheint, eingeordnet in den historischen Kontext aber wie die Faust aufs Auge passt.

Football Casuals – der Club der „alten Männermode“. Wie seid ihr in Kontakt zum britischen Stil der 1970er und 1980er gekommen und was hatte euch hieran so fasziniert?

Wie ja schon erwähnt, hatte Mode jeglicher Facette immer einen Stellenwert in unserem Leben. Auch hier können wir auf mehrjährige persönliche Erfahrungswerte bedingt durch ein Studium in Southampton zurückgreifen und sind neben Fish&Chips, komischen Frühstücksangewohnheiten und Sperrstunden-Riots auch mit der dortigen Modewelt in direktem Kontakt gewesen, daher die britische Prägung. So erfuhren wir diesen Stil im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leib, ehe die Welle über den Kanal schwappte.

Darüberhinaus bestand schon immer ein reges Interesse an der weltweiten Fußballszenerie. Klassische Groundhopper sind wir in keinem Fall, da wir nie über Dorfplätze getingelt sind, aber Highlightspiele in diversen Ländern haben wir immer gerne mitgenommen. Zudem können wir uns glücklich schätzen, dass wir unseren eigenen Verein bereits in 32 Länder begleiten durften und seit zwanzig Jahren sogut wie kein Europacupspiel verpasst haben. Wir sind also durch den Fußball gut rumgekommen.

Lasst uns auf die Anfänge von Pikobello Casuals zu sprechen kommen. Was war die Initialzündung, eure Idee und euer Ansporn „Casual Klamotten auf Casual Klamotten“ zu drucken?

Wir haben über Jahre hinweg immer schon die Klamotten für die Fanszene produziert. Ob für den Dachverband, inklusive jahrelanger Vorstandsarbeit, diverse Fanclubs und natürlich die eigene Gruppe – vieles von dem, was man dort so trägt, stammt aus unserer Feder. Das gilt im Übrigen auch für fast sämtliche Choreos der 90er und 00er-Dekaden. Als dann die ständigen Bitten nach Entwürfen für Kreisliga B-Aufstiegsshirts, Junggesellenabschieds-Tees und Malle-Outfits zufriedenstellend umgesetzt wurden, steigerte sich die Motivation nach einem eigenen Projekt.

Durch jahrelange Expertise auf diesem Gebiet einerseits und ein Job in der Textilindustrie auf der anderen Seite, bot sich handwerklich also schnell eine stabile Basis für die Gründung des Labels. Thematisch ist das Ganze ja sowieso seit jeher unser Ding.

Nun galt es also all jenes, was wir eh schon jahrelang gemacht haben, mit neuen Qualitätsstandards und hohen Ansprüchen an das eigene Produkt auf eine neue Ebene zu heben und schon konnte es losgehen. Die eigene Kreativität noch einmal auf einem anderen Level ausleben und in Einklang mit hochwertigen Klamotten zu bringen, ist halt noch einmal eine andere Nummer, als ein Fünf-Euro-Mottoshirt für die Fanszene rauszuhauen. Genau dieser Herausforderung wollten wir uns stellen.

Für viele scheint leider die Inspiration bei Motiven irgendetwas „Aufgewärmtes“ nach der Suche zum Begriff „Football Casuals“ auf google.co.uk zu sein. Ihr hattet dann jedoch schnell auf eine erfrischende weise Styles mit einem Twist zur deutschen Fanmode der 1990er gesorgt. Woher nehmt ihr die Inspiration und Ideen zu euren Motiven?

Das Ganze hat bei uns ja in der Tat zum Teil autobiografische Züge. Anstatt zu googlen bedarf es da eher einen Blick in die eigene Historie oder den Teil des Kleiderschranks, wo die alten Outfits rumlungern, von denen man sich einfach nicht trennen konnte.

Authentizität spielt bei uns eine übergeordnete Rolle. Klar haben auch andere schonmal Turnbeutel bedruckt und verhökert. Bei uns ist es aber eben so, dass wir in den 80ern mit diesen Dingern bepackt mit adidas Glanzsporthose und Pausenbrot zum Schulsport gegangen sind und wir somit einen Teil unserer eigenen Historie auf- und hochleben lassen. Wir scheren uns somit wenig um das, was andere tun, sondern blicken auf unsere eigene Geschichte. Unser „Generation to Generation“-Shirt beispielsweise, bei dem wir die Timeline der Outfit-Entwicklung als Kickerfiguren darstellen, spiegelt gleichermaßen auch unseren Werdegang wieder.

Die WM 1990 in Italien scheint bei euch einen großen Stellenwert einzunehmen. Ihr habt direkt diverse Style hieran angelehnt, so dass wir schon sehr neugierig darauf sind zu erfahren, was euch an diesem Turnier so fasziniert hatte.

Schon alleine bei dieser Fragestellung kommen jeder Menge Erinnerungen an diesen grandiosen „un‘estate italiana“ hoch. Auf der einen Seite war es das erste große Turnier, welches wir als rebellische Jungs mitten in der Pubertät bewusst miterlebten – und das dann gleich im Land der großen Ultra-Vorbilder, in dem man auch desöfteren schon die Ferien mit den Eltern verbracht und das Dolce Vita genossen hatte. Zudem war es eine Zeit, die von Typen und „echten Kerlen“ auf dem Fußballplatz geprägt wurde und nicht von weichgespülten Hipstern wie heute. Dabei geht es noch nicht einmal ausschließlich um die Deutschen Protagonisten, wie man auch an unseren Maradona-, Higuita- oder Collina-Motiven sehen kann. Von der WM 90 könnte ich heute noch zu jedem Spiel und Spieler eine Geschichte erzählen, wohingegen ich vom vergangenen Titel in Brasilien jetzt schon kaum noch Erinnerungen habe, weil es sich einfach nicht so tief ins Bewusstsein eingebrannt hat.

Italien hatte seinerzeit ja eh einen hohen Stellenwert, was den Fußball auf der einen und die Ultra-Kultur auf der anderen Seite angeht. Beides war gerade zu dieser Zeit Faszination pur. Alle Top-Vereine waren mit deutschen Legionären gespickt und die Kurven brodelten und boten ein Bild, was in Deutschland zu dieser Zeit ja noch völlig undenkbar war.

Wie würdet ihr die Zielgruppe von Pikobello Casuals beschreiben?

Wir sind ja vom alten Schlag und haben unsere Fußballwurzeln in jener Zeit, wo noch nicht jeder von einem anderen Verein gleich als Todfeind angesehen wurde. Das ist sicherlich eine unabdingbare Basis für ein solches Projekt, abseits jeglicher Vereinszugehörigkeiten und persönlicher Empfindlichkeiten. Pikobello steht nicht für irgendeinen Club, Region oder Fanströmung, sondern ist als Teil der Casual Subculture, aber eben auch als Label für Fußball-Fanatiker zu verstehen. Denn wir bringen ja ab und an auch reine Fußballmotive raus, die nicht zwingend in das klassische Casual-Motto passen, mit denen wir aber einfach auch unseren Wurzeln und unserer Leidenschaft gerecht werden. Denn über allem steht ja immer noch die Tatsache, dass wir nunmal in erster Linie Fußball-bekloppt sind – auch wenn man sich in der heutigen Zeit natürlich emotional mehr und mehr von diesem Business entfernt, aber das ist ja nochmal ein ganz anderes und äußerst komplexes Thema.

Somit ist jeder gerngesehener Teil besagter Zielgruppe, der sich dieser Schnittmenge zugehörig fühlt. Vor allem aber wollen wir Leute ansprechen, die Bock auf eben genau unser Konzept haben: Vom Entwurf bis zur Produktion, vom Versand zum persönlichen Kontakt, von Konzeption bis zur Qualitätskontrolle, alles aus einer Hand und alles mit höchster Sorgfalt und Penibilität.

Euer Credo lautet „Je verdorbener das Innere, desto mehr wert legt man auf Äußerlichkeiten“. Hose runter, Jungs. Welche Geheimnisse habt ihr euren Therapeuten von Sapeur OSB beichten?

Nunja, man wird bei der Leserschaft ja keine Verwunderung hervorrufen, wenn man sich und seiner Umwelt eingesteht, dass man in einigen Jahrzehnten als Fußballrowdy Dinge erlebt hat, die dem Ottonormalbürger alles andere als normal erscheinen, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. So eine Art Doppelleben führen ja sicherlich die meisten von uns, der eine mehr, der andere weniger. Als ehemaliger Vorsänger nimmt man ja eh seinen Platz in der Öffentlichkeit ein und kann schwer mit seinem wahren Ich hinterm Berg halten. Also gehen wir grundsätzlich recht gerade damit um, auch wenn man natürlich nicht Jedem gleich alle Details aufbinden muss. Also belassen wir es an dieser Stelle mal dabei…

Die deutsche Szene hat ihr äußeres Erscheinungsbild deutlich geändert. Fred Perry war zwar schon immer da, aber nun werden auch Labels wie Lyle & Scott, Peaceful Hooligan, Ellesse und auch vermehrt C.P. Company und Stone Island getragen. Wie würdet ihr die deutsche Szene im Jahr 2017 modisch einordnen?

Die Zeiten in denen man gute Chancen hatte, anhand des Kleidungsstils zu erkennen, wer zu welcher Szene gehört, sind dem modischen Einheitsbrei gewichen. Selbst international wird es schwierig.

Grundsätzlich weitet sich die Thematik natürlich in den Kurven immer mehr aus. Vielleicht liegt es auch daran, dass man heutzutage Klamotten der genannten Label für vergleichsweise wenig Kohle ergattern kann. Für ein Ellesse-T-Shirt oder ein L&S-Polo muss man sich halt nicht soweit strecken wie für einen Burberry-Cardigan, einen Aquascutum-Pulli oder eine Mille, was natürlich völlig in Ordnung ist.

Was aus unserer Sicht hier ein wenig verloren geht, ist der Grundgedanke der Football Casuals aus den Anfängen. Grob umschrieben war es hier das Ziel, sich durch Casual Mode vom Gros der Masse abzuheben, was heutzutage immer mehr verloren geht. Wenn wir hier einfach mal zehn bis 15 Jahre zurückblicken, war dieser Kleidungsstil einfach noch etwas Besonderes, während es heutzutage immer mehr zum Einheitsbrei verfällt und Mainstream wird.

Es schießen weiterhin immer mehr kleine Projekte aus dem Boden, die sich ebenfalls den bessergekleideten Fußballfahrern verschrieben haben. Wenn man sich das alles so anschaut, ist da aber wenig neues dabei und als Schnittmenge sind Trimmy, der ZX 8000, die Mille Miglia oder ein Bucket Hat als stilistisches Vehikel für die deutsche Szene zu nennen. Freut es euch, dass sich etwas tut oder seht ihr das eher kritisch und sagt euch, ach Mensch, das Letzte was wir gebraucht haben ist ein weiteres ZX 8000 Aqua oder noch ein Mille Miglia-Motiv?

Man sollte definitiv nicht jemanden gleich vorverurteilen, nur weil er eine Thematik aufgreift, die es so vielleicht schon einmal in der Art gegeben hatte. Wir sind ja davon ebenfalls nicht ausgenommen, denn eines unserer ersten Motive wurde ja ebenfalls an unseren lustigen Zeitgenossen Trimmy angelehnt. In unserem Fall muss man dazu aber einfach wissen, dass es hier in der Stadt schon seit Ewigkeiten eine alljährige „Trink Dich“-Tour gibt- stilisiert mit eben genau jener Figur. Dieses Thema haben wir somit bewusst aufgegriffen, wobei wir wieder beim Begriff Authentizität wären. Nicht alles, was es so schonmal gab, muss also eine Kopie sein, sondern kann auch die eigene Geschichte wiederspiegeln.

Selbiges kann gleichermaßen auf den angesprochen ZX8000 Aqua zutreffen. Ich selber hatte mir seinerzeit den 1989er Original für damals schon fast utopisch anmutende 250 Mark geleistet und ich sehe den Schuh also Teil meines modischen Werdegangs.

Grundsätzlich sollte man ein neues Label also erst einmal über einen gewissen Zeitraum beobachten, ehe man sich ein Urteil erlauben kann. Natürlich gibt es da auch einige, bei denen man keine Weiterentwicklung erkennen kann, dann wird es irgendwann langweilig, das stimmt.

Im Übrigen sind wir selber ja auch schon mehrfach „Opfer“ von Plagiaten geworden, als unsere Motive tatsächlich teilweise eins zu eins von vornehmlich osteuropäischen und asiatischen „Labels“ – sofern man sie denn überhaupt so nennen kann – nachgedruckt worden sind.

Kommen wir zu den Männern hinter der Marke. Wie wichtig ist denn euer eigenes Outfit am Spieltag?

Da gilt es nun zu differenzieren: Während einer von uns am Morgen des Spieltags wie aus dem Ei gepellt mit Outfits, nach denen sich jeder casual-affine Typ die Finger lecken würde, aus dem Haus geht und es eher die Ausnahme ist, dass er und die Klamotten gleichermaßen abends in diesem Zustand wieder heimkommen, entscheidet sich der andere Teil des Pikobello-Teams eher spontan, ob es nicht heute sogar doch ein Vereinsaccessoires oder Fanclubshirt sein darf oder es zwingend die 800 Euro-Jacke sein muss.

Wie sieht es in eurem Kleiderschrank aus? Seid ihr modisch eher sportlich (Ellesse, Fila, Sergio Tacchini) oder klassisch (Fred Perry, Stone Island, Lyle & Scott) aufgestellt?

Sagen wir mal so: Es ist für jeden Anlass etwas am Start und da Sport und Fitness ebenso zum Casual Lifestyle gehören (sollten) – denn was bringen die geilsten Klamotten, wenn der Körper schwabbelig ist – finden sich hier natürlich auch sportliche Outfits wieder.

Ansonsten haben wir sicherlich wie die meisten auch ein gutes Arsenal von Alltime Classics im Schrank. Wobei die Möbelstücke über die Jahre hinweg einfach zu klein geworden sind und mittlerweile aus allen Nähten platzen.

Habt ihr bei den Klamotten aktuell ein Label von dem ihr sagen würdest, das ist aktuell das, was ihr am liebsten tragt?

Grundsätzlich finden wir gut, wenn Label sich auf Ihre Wurzeln besinnen und zumindest serienweise die Fernost-Schiene verlassen. Lyle & Scott geht mit der „made in Scottland“-Kollektion einen guten Weg, die in England und den USA gefertigten New Balance-Modelle sind natürlich auch sehr stark. Man muss für den Spaß finanziell was drauflegen, aber diese Philosophie ist unser Ding.

Als Herren gesetzteren Alters darf es natürlich auch immer gerne etwas von Barbour oder Woolrich sein.

Gibt es desweiteren eine Marke von der ihr denkt, dass die zukünftig groß durchstarten wird und eine größere Rolle spielen könnte?

In Frankfurt soll es da so ein paar Typen geben, die richtig starkes Zeug an den Start bringen. Die sollte man auf dem Zettel haben 😉 Darüberhinaus wird sich zeigen, welches Label demnächst so eine Renaissance hinlegen kann, wie es zuletzt Ellesse geglückt ist. Chevignon versucht es ja aktuell mit dem Aufgreifen der Togs-Serie, wird aber eher nicht an die alten Erfolge anknüpfen können.

Penfield hat bei klassischen Designs einen ganz guten Stil. Allerdings hat man auf der Fashion Week viel Schrott gesehen, was befürchten lässt, es könnte hier in eine völlig falsche Richtung gehen. Das wäre schon schade.

Welcher Newcomer in die Riege der ganz Großen aufsteigen kann, bleibt abzuwarten. Die Jungs von Unfair gehen einen guten Weg und bauen sich ein Image auf, zudem scheinen die Klamotten qualitativ etwas herzumachen. Weiter so!

Stark wäre es, wenn so ein Label wie Norse Projects nochmal nen Sprung nach vorne machen würden.

Dann lasst uns doch auch direkt einmal zu den Turnschuhen kommen. Ihr seid ja ebenfalls sehr Torsion affin und wir sind schon sehr gespannt darauf zu hören, welche Treter eure Top3 Modelle sind.

Adidas war über Jahrzehnte so etwas wie unsere große Liebe, von der wir uns aber seit einiger Zeit verschmäht fühlen. Das geht vermutlich Vielen so. Die Richtung, die dort eingeschlagen wird, gefällt uns größtenteils leider kaum noch und fast jedes neue Modell ist Teenie- und Hipsterzeugs, das einem die Seele blutet lässt. Diverse Klassiker lassen sich aber dennoch nicht aus den persönlichen Sortimenten verbannen.

Generell sind wir sehr Runner geprägt, so dass die aktuellen Top 3 so aussehen:

– Adidas ZX9000 Hydra
– Diadora x Afew
– New Balance M997CDG

Da jeder von uns an die 100 Paare sein Eigen nennt, kann dieses Ranking jedoch jederzeit auch zugunsten anderer Highlights kippen. Ein Klassiker, der immer noch gerne getragen wird, ist beispielsweise der klassisch silberne ZX5000.

Die Welt der „virtuellen Casuals“. Es ist schon krass was aktuell auf Facebook oder Instagram abgeht. Es war nie leichter „jemand zu sein“, der in der eigenen Szene völlig unbekannt ist. Darüberhinaus gibt es mit den „Casual Girls“ ein ganz neues Phänomen. Ein T-Shirt von Ellesse reicht, bisschen die Oberweite zurechtrücken, auf den Auslöser drücken und schon hat sie 500 Likes. Das das alles mit „Casual“ nüscht zu tun hat, muss man ja nicht erklären. Mittlerweile nutzen Labels den Trend und knallen Gratis T-Shirts raus und man bedankt sich in der virtuellen Welt ganz dolle für die „ganze Liebe“. Ist ja alles nett anzusehen, aber ist das nicht Fluch und Segen zugleich? Oder anders gefragt, würdet ihr den Weg zum Product Placement nutzen und Gratis Shirts an die Damenwelt ausloben?

Grundsätzlich bietet Social Media natürlich auf relativ einfachem Weg die Möglichkeit, sein Sortiment der Öffentlichkeit zu präsentieren und sich dort interessant zu machen. Selbstverständlich nutzen wir diese Gelegenheit ausgiebig, denn alles andere wäre fahrlässig. Wichtig ist aber hierbei natürlich, dass man sich selber treu bleibt. Auch wir freuen uns natürlich über Leute, die unser Zeugs gut rüber bringen, keine Frage. Dass Cass Pennant, Onkel Heini oder Kai Tippmann unsere Klamotten mögen und sich damit ablichten lassen, das ist genau unser Ding. Wichtig ist festzuhalten, dass wir fast alle Menschen, von denen wir dort Bilder posten, persönlich kennen, teilweise seit zig Jahren. Es ist uns wichtig, dass genau die Leute unsere Klamotten repräsentieren, von denen wir wissen, dass sie mit uns im gleichen Fahrwasser schwimmen.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass ihr quasi mit der „Casual Couture“ Filiale Düsseldorf einen eigenen Shop betreibt. Wie kam es dazu und inwiefern hat das Einfluss auf den Verkauf von euren Shirts?

Eigentlich eine ganz einfache Geschichte – wir haben die Jungs aus Hamburg irgendwann mal bei einem Messebesuch in der Hansestadt kennengelernt und sofort gemerkt, dass die Chemie stimmt. Als dann die Idee zur Expansion aufkam, waren wir alle sofort Feuer und Flamme. Die Geschichte hinter dem Projekt „Casual Couture“ ist die aus den 80ern stammende, britische Serie „Auf Wiedersehen Pet“, die von irischen Gastarbeitern in Deutschland handelt. „Auf Wiedersehen Pet“ spielte in Düsseldorf, wurde jedoch in Hamburg gedreht. Das Ladenlokal in Hamburg befindet sich im damaligen Haupt-Drehort – dem „Halber Liter Pub“. Auf Grund der Serie war klar, dass der nächste Standort auf jeden Fall Düsseldorf sein muss. Hier findet man nun den ersten Ableger von Casual Couture in der Bahnstraße, unweit der legendären Königsallee. Über das Sortiment kann sich jeder einen Überblick unter www.casualcouture.de verschaffen. Viel lieber sind uns natürlich persönliche Besuche in unseren Stores, bei denen man bei einem crafted Cider oder einem leckeren Ratsherren über die neusten Casual- und Fußballthemen philosophieren kann.

Für Pikobello bedeutete das Ganze natürlich noch einmal einen Quantensprung, da die Klamotten sowohl in Düsseldorf, als auch in Hamburg guten Anklang finden. Zudem bringen all die Erfahrungen, die man so auf diesem Gebiet sammeln kann, Gold wert.

Im Übrigen liegen unsere Klamotten darüberhinaus auch in den Regalen von Casual Company in Rostock und Awayday Casuals in Mönchengladbach. Besonders freuen wir uns über unsere deutsch-russische Partnerschaft mit Street Story Store, die in Moskau und St. Petersburg vertreten sind. Bei all diesen Läden und auch Leuten hat es einfach gepasst. Vom Sortiment her fühlen wir uns gut eingebunden und auch mit den Shopbetreibern findet man jeweils eine gute Basis und ideelle Schnittmenge.

Für Außenstehende sieht das alles ziemlich leicht und einfach aus. Aber wir wissen wie hart man für ein geiles Design, Bucket Hat oder Hemd arbeiten muss. Suchen, testen, vergleichen, Maß nehmen, auf das Sample warten und dann die Ungeduld bis endlich das fertige Produkt eintrifft. Man öffnet das Paket und plötzlich weicht alles vom Sample ab. Wir von Sapeur OSB sind ja, typisch Frankfurt, immer ein wenig chaotisch unterwegs. Deshalb die Frage an euch, wie arbeitet ihr denn bei euren neuen Sachen von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt?

Oh ja, du sagst es. Dem fertigen Produkt sieht man selten den eigentlichen Aufwand an, der dahinter steckt. Uns ist es wichtig, dass wir in der Tat von der Idee, über den Entwurf, bis hin zur Produktion, Produktfotografie und letztendlich Verkauf alles in unserer eigenen Hand haben. Einfach irgendwelche asiatischen Grafiker anheuern, sich irgendeinen Kram in Fernost zusammenzunähen lassen oder auch nur so simple Dinge wie den Versand auszugliedern oder Fremden zu überlassen, käme für uns so nicht in Frage. Bestenfalls holt man sich hier und da mal Unterstützung, aber grundsätzlich ist es uns persönlich wichtig, die eigenen Vorstellungen möglichst in Eigenregie gestalterisch auszuarbeiten.

Wichtig ist, dass man stets innovativ und detailgetreu ist. So kann selbst aus der Fertigung von Drawstring Bags ein spannendes Projekt werden, wenn man in Sachen Materialauswahl und zusätzlichen Highlights wie Echtlederapplikationen und „Glow in the Dark“-Print eben noch einen drauf setzt und eben nicht nur fertige Beutel kauft und dort sein Motiv draufdrucken lässt.

Ein gutes Beispiel für Innovation ist auch unser Chainstitch-Sweater, denn diese Art der Veredelung mit Wollgarn und allen anderen Details, huddelt man nicht mal eben so hin.

Grundsätzlich vertreten wir bekanntermaßen die Philosophie, dass möglichst alles FairWear/FairTrade-Kriterien entspricht, die Veredelung made in Germany ist und komplett selbstgefertigtes Zeug zumindest in der EU produziert wird. Oftmals sind wir bei den Produktionen sogar selber vor Ort, um sicherzugehen, dass alles nach unseren Vorstellungen und Qualitätsansprüchen abläuft.

Casual Clothing steht ja eigentlich nicht für bedruckte T-Shirts. Wie schwierig es aber ist in Kleinauflagen Hemden, Pullis und was weiß ich noch ans Land zu ziehen, kann man sich bei der vorangegangenen Frage denken. Wie schauen eure Pläne aus eure Produktpalette neben den angebotenen Shirts zukünftig auszubauen?

Das ist der schmale Grat auf dem wir wandeln. Wie du schon sagst, ist ein bedrucktes Shirt nicht der Inbegriff der Casual Culture, hier können wir jedoch einen top Qualitätsstandard zu einem realistischen Preis erreichen. Bei unseren Bucket Hats, Lederartikeln und neulich auch Socken, haben wir ähnliches unter Beweis gestellt.

Wir stellen uns allerdings der Herausforderung und wollen uns auch hier in neue Gebiete vorwagen. Dazu haben wir bereits diverse Textilfabriken persönlich aufgesucht und streben nach neuen Projekten und Möglichkeiten. Ein sehr spannendes Thema, welches wir in jedem Fall weiter verfolgen und konkretisieren möchten.

Jungs, bevor wir langsam zum Ende kommen folgt ein Ausblick auf ihre kommenden Projekte. Macht mal die Leute heiß auf das was ihr für 2017 noch in der Pipeline habt. Auf was darf sich die werte Kundschaft freuen?

In unseren Köpfen sprudelt es nur so vor Ideen und besagte Pipeline ist jetzt schon gut gefüllt, sprich einiges ist bereits auf den Weg gebracht. Mit unserem nächsten Shirt üben wir offen Kritik am heutigen Fußballprofi und verweisen auf jene Jungs, die sich für ihr Viertel noch so richtig auf die Mappe geben. Das „Calcio Storico“-Motiv mit dem Leitsatz „Football needs Warriors – Not Hipsters“ gibt es bereits ab diesem Freitag bei uns im Shop. Parallel kredenzen wir noch einmal drei neue Colorways der Drawstringbags. Des Weiteren wird es demnächst ein neues T-Shirt-Motiv mit Sneaker-Affinität geben.

Darüber hinaus wollen wir natürlich auch jene Herausforderungen angehen, die wir im vorangegangenen Passus beschrieben haben und neue Wege durch neue Produktionsmöglichkeiten einschlagen. Hierzu haben wir auch bereits recht konkrete Vorstellungen und mit der Ausarbeitung begonnen. Ob wir dies jedoch noch in 2017 an den Start bringen, wird sich zeigen.

Es gibt für uns aktuell nur zwei ernstzunehmende deutsche Labels, die für ihren eigenen Stil, einem Auge für Details & Qualität stehen. Pikobello Casuals gehört zweifelsohne dazu. Vielen Dank für eure Zeit und wir wünschen euch ein glückliches Händchen für eure zukünftigen Projekte. Die letzten Worte gehören wie immer unseren Interviewpartnern.

Naja, auch wenn wir nicht mehr die Jüngsten sind, so haben wir bis zu unseren letzten Worten hoffentlich noch jede Menge Zeit, denn wir haben ja auch noch so einiges vor. Die Zeit wird zwar nicht reichen, um mal eine Meisterschaft zu erleben, was Pikobello angeht, wollen wir sie jedoch nutzen, um unseren Weg weiter zu gehen und uns stetig weiterzuentwickeln. Danke für das Interview und macht auch ihr genauso weiter, wie bisher und versorgt die Casual-Welt weiterhin mit so interessanten Beiträgen. Cheers!!!